Manchmal ist eine Krankheit doch auch zu etwas gut. Nicht oder nicht nur weil man sich ein Auszeit nehmen muss, um sich auszukurieren, sondern im folgenden speziellen Fall, weil man einen Termin nicht wahrnehmen kann und zum absolut perfekten wieder fit am Start ist. So verhielt es sich mit dem deutsch-französischen Kabarettisten Emmanuel Peterfalvi alias Alfons, bekannt auch durch zahlreiche Fernsehauftritte mit orangener Jacke und Puschelmikrofon: Eigentlich wollte Alfons nach seinem Auftritt in Balingen schon am 5. Dezember letzten Jahres am Beruflichen Schulzentrum Hechingen (BSZ) seinen Workshop anbieten, doch eine Erkältung verhinderte dies. Doch sowohl Schule als auch Alfons wollten den Termin unbedingt nachholen, und es wurde ausgerechnet der 27. Januar, der „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“.
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Schulleiter Arndt Bayer begrüßte Alfons sowie Französisch lernende Schülerinnen und Schüler des BSZ, der Balinger Sichelschule und des Balinger Gymnasiums. „Es gibt ja viele mehr oder weniger sinnvolle Gedenktage, aber der heutige Gedenktag liegt mir sehr am Herzen. Für den heutigen Workshop mit Alfons hätten wir keinen passenderen Termin bekommen können“, so Bayer. Es sei nun 80 Jahre her, dass das Konzentrationslager Auschwitz befreit wurde und manch junger Mensch denkt vielleicht: „Dafür kann ich doch nichts. Was geht mich das noch an?“. Bayer stellte dem ein Zitat des Holocaust-Überlebenden Max Mannheimer entgegen: „Ihr seid nicht dafür verantwortlich, was geschah, aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon.“
Der Holocaust und die Gefährdung der Demokratie sind für Alfons zentrale Themen. Sein Großvater wurde in Auschwitz ermordet, seine Großmutter überlebte den Holocaust. Doch Alfons sprach nicht viel über die Vergangenheit. Ihm geht es um das Heute und die Zukunft der Demokratie. Eine Umfrage unter Jugendlichen habe gezeigt, dass etwa 40 Prozent die Demokratie egal sei. „Wenn so viele Jugendliche das sagen, haben wir ein Problem“, meinte Alfons. Daher sei ihm der heutige Termin auch wichtig, er sei sogar sehr früh aufgestanden, habe das Hotelfrühstück sausen lassen und erwarte daher auch eine rege Beteiligung. Die Regeln hierfür umriss Alfons wie folgt: „Wir duzen uns; die Lehrer dürfen nichts sagen; ihr sagt, was ihr denkt, ohne richtig oder falsch. Ich möchte verstehen, wie ihr denkt. Selbst möchte ich möglichst wenig sprechen“, meinte Alfons und hielt sich sogar weitestgehend daran.
Die erste Workshop-Runde drehte sich um die Frage, was Demokratie überhaupt ist. Schnell kam man gemeinsam darauf, dass eine Mehrheitsentscheidung nicht per se demokratisch ist, sondern nur dann, wenn Menschenrechte und Minderheitenschutz die Basis bilden. Auf die Frage, wie man aus Deutschland eine Diktatur machen könne, verwiesen die Schülerinnen und Schüler schnell vor allem auf Manipulationen über die sozialen Medien. „Die sozialen Medien wollen, dass man wütend ist. Die finden das toll, weil man dann dranbleibt. Die machen Geld wenn wir wütend sind“, stimmte Alfons den Schülerinnen und Schülern zu. Das sei auch der Grund, weshalb dort gerne die Demokratie schlecht gemacht werde und sich die Kommunikation in eine eigenartige Richtung bewege.
Ein Blick über die Grenzen zeige, wie schnell sich auch Demokratien mit vermeintlich starken Verfassungen hin zu Diktaturen verändern könnten. Wenn Populisten wie etwa in Polen und Ungarn an die Macht kämen, fänden sie immer eine Lücke in der jeweiligen Verfassung, um die Demokratie auszuhebeln. „Irgendwelche idiotische Debatten in den sozialen Medien lenken dann nur vom eigentlichen Ziel ab“, so Alfons. „Der einzige Schutz sind die Bürgerinnen und Bürger, ist die Zivilgesellschaft“, appellierte Alfons daher an die Schülerinnen und Schüler wachsam zu bleiben und sich für die Demokratie zu engagieren. Hierzu passend schloss Alfons den Workshop mit einem Zitat Simon Wiesenthals: „Damit das Böse gedeiht, braucht es nur gute Menschen, die nichts unternehmen.“ Ein Schüler ergänzte dann noch, bei seinem Opa hänge der Spruch „Wenn die Schlauen immer nachgeben, regieren die Dummen die Welt“. Dieser Spruch und die tolle Beteiligung gefielen Alfons so gut, dass er das verpasste Hotelfrühstück nach eigenem Bekunden locker verschmerzen konnte.
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